Auch Essaw heiratete eine Nicht-Kenaaniterin (sogar zwei!) – Gastbeitrag

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Isaac und Rebecca mit Jakob und Esau – Jan Victors (1652)

Austrian-German_Swiss_flags-tinyVon Rabbiner Schlomo Hofmeister

Durch reden oder denken allein, kann niemand seinen Charakter verbessern. Gute Absichten und Vorsätze sind zwar ein wichtiger Anfang, genügen aber alleine noch nicht, um tatsächlich nachhaltig irgendetwas zu verändern. Unsere Weisen, sel. A., bringen hierzu das folgende Beispiel: Essaw, der Bruder unseres Stammvaters Jaakow, ist uns allen bekannt für sein grobes und tadelnswertes Wesen. Doch auch er kannte Momente in seinem Leben, in denen er versuchte sich zu bessern, ein guter Mensch zu werden und dem Namen seiner Familie, seinen Grosseltern Awraham und Sara und seinen Eltern Jitzchak und Riwka, durch sein eigenes Le­ben und Be­neh­men Ehre zu bringen.

Und so lesen wir am En­de unseres Wo­chen­ab­schnitts, dass Essaw eines Tages ein­sah, dass sein Vater Jitzchak zu guter Recht unglücklich war über die Wahl seiner beiden kanaanitischen Frauen, deren Götzendienst, Lebens­einstellung und Weltbild den Idealen und Werten der Familie Awrahams und Jitzchaks unvereinbar entgegenstanden und einen schlechten Einfluss auf Essaw und seine Kinder hatten.

Mit dem ernsten Vorhaben sich zu bessern und sein Leben neu zu orientieren, ging er daher zu seinem Onkel Jischmael und nahm dessen Tochter Machalas zur Frau, die als Enkelin Awrahams ebenfalls die grundlegenden Wertvorstellungen seiner Familie zu schätzen wusste, und einen guten Einfluss auf ihn hatte. (Berejschit 28:8-9)

Aber was geschah dann? Änderte Essaw tatsächlich seine Persönlichkeit und Lebens­einstellung? Hatte seine neue Frau aus der Familie Awrahams den erwarteten Einfluss und Effekt auf ihn und seinen Charakter? Wie unsere Weisen, sel. A., erklären: Hätte Essaw sich von seinen kanaanitischen Frauen getrennt, sich dadurch deren schlechtem Einfluss entzogen und sein gesamtes Umfeld verändert, hätte er vielleicht eine Chance gehabt, seine gut gemeinten Vorsätze auch umzusetzen. Indem er aber einfach nur zusätzlich zu seinen beiden kanaanitischen Frauen, deren Schlechtigkeit und Korruption er durchaus erkannte, noch eine dritte, eine gute Frau nahm, verbesserte sich an seiner Situation prinzipiell nichts, und aus seinem Vorhaben ein besserer Mensch zu werden wurde folgedessen auch nichts. (Midrasch Berejschit Rabba 67:13)

Die innere Haltung allein reicht nicht aus und sogar die praktische Umsetzung vereinzelter Punkte wird nur dann den gewünsch­ten Effekt der Verbesserung und Festigung unseres Cha­rak­ters haben, wenn wir bereit sind auch die grundlegenden Rahmenbedingungen in unserem Leben dement­sprechend an­zupassen, und gegebenenfalls auch unseren gesellschaft­lichen Umgang von diesen Verän­derungen nicht auszuklammern. Wer regelmässig mit schlechten Menschen verkehrt, und bereit ist ihrem Tratsch und Klatsch oder gar übler Nachrede über andere Menschen zuzuhören, wird zwangsläufig irgend­wann davon beein­flusst werden. Schlechte Zeitgenossen, egal welche Titel oder ge­sellschaftliches Ansehen sie haben als solche zu erkennen und sich von ihnen zu distanzieren, ist unbedingt nötig. Wenn nicht, ist das vergleichbar mit jemandem, der in einem Zug sitzt, und als er nach mehreren Stunden Fahrt mit Entsetzen bemerkt, dass er fälschlicherweise den Zug in die verkehrte Richtung genommen hat, von seinem Platz aufspringt und im fahrenden Zug, entgegen der Fahrtrichtung nach hinten läuft – in der absurden Annahme dadurch an seiner Situation und der falschen Fahrrichtung seiner Reise irgendetwas ändern oder verbessern zu können.

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