Licht am Ende des Tunnels

flag-ch_de-tinyNach drei Wochen schwieriger Kämpfe, während der die Israelische Verteidigungskräfte der Hamas schwierige Verlusste haben erleiden lassen, haben Israel und nachher Hamas, je einen unlateralen Waffenstillstand ausgesprochen. Einerseits war die israelische Offensive eindruckerweckend, es zeigte sich wieviel die israelische Armee und die politische Führung des Landes von dem zweiten Lebanonkrieg gelernt haben, der ja von vielen als Fehlschlag betrachtet wurde, obwohl er die Hizbollah anscheinend doch lehrte, nicht mehr Israel zu reizen.

Heute aber, erst zwei Tage nach dem Anfang des Waffenstillstandes, berichten die Medien, dass die Schmuggeltunnels bereits wieder in Operation sind. Manche haben das Gefühl, dass die Operation “Gegossenes Blei” kein eindeutiges Erfolg ist; Hamas wurde zwar stark geschwächt, ist aber noch immer dem Terrorrismus gewidmet.

Israel befindet sich also zwar in einer besseren Lage als unmittelbar nach dem zweiten Lebanonkrieg, aber es gibt noch immer dunkle Wolken an der Horizont.

Die Worte eines Predigt namens “Nun wirst Du sehen”, die ich nach dem zweiten Lebanonkrieg schrieb, sind im Nachhinein voraussehend. Deshalb finde ich auch Hoffnung und Inspiration für die Zukunft in diesen Worten. Nachdem ich jene Worte wieder gelesen habe, möchte ich laut verkünden: es gab Licht am Ende des Tunnels, und in der Zukunft wird es noch mehr Licht geben, am Ende des jetztigen metaphorischen Tunnels.

Nun wirst Du sehen

von Rabbiner Arie Folger
ursprunglich, am 27. Tewét 5768 (5. Januar ’08)
in der IGB vorgetragen

Die Torá lehrt:

וָאֵרָא אֶל־אַבְרָהָם אֶל־יִצְחָק וְאֶל־יַעֲקֹב בְּאֵ–ל שַׁדָּ–י וּשְׁמִי ה’ לֹא נֹודַעְתִּי לָהֶם׃

Ich erschien Awrahám, Jitzchák und Ja’aków als E–l Schad–dáj (G”tt, der Allmächtige); aber mit meinem Namen Ha-Schém (Ewiger) habe ich mich ihnen nicht offenbart. (Schemót 6:3)

Offensichtlich wird Mosché hier mit den Vorvätern verglichen. Aber wird er ihnen im positiven Sinn gegenübergestellt oder im negativen?

Der Midrásch (Midrasch Rabbá Schemót 5 und 6, sowie Jalkút Schim’óni zum Anfang des Abschnittes Waerá) bietet zwei Interpretationen an. Einerseits, so sagt er, ist der Vers eine Klage. G”tt erinnert daran, wie Er den Vorvätern wiederholt erschien, ihnen das Land von Milch und Honig versprach und ihnen versicherte, ihre Nachfahren würden in diesem Land herrschen. Und obwohl die Vorväter viele Rückschläge erlebten, beschwerten sie sich nie; sie akzeptierten die Forderungen, die G”tt an sie stellte, und wurden ihnen gerecht. Sie stellten nie eine so seltsame Frage wie die nach dem Namen G”ttes – das tat nur Mosché (Schemót 3:13). Und kaum hatte sich der Par’o einmal geweigert, das Volk Israel gehen zu lassen, und verständlicherweise administrative Massnahmen ergriffen, um ihr keimendes Freiheitsstreben einzudämmen, berichtete Mosché G”tt ziemlich dreist:

וַיָּשָׁב מֹשֶׁה אֶל־ה’ וַיֹּאמַר אֲ–דֹנָי לָמָה הֲרֵעֹתָה לָעָם הַזֶּה לָמָּה זֶּה שְׁלַחְתָּנִי׃ וּמֵאָז בָּאתִי אֶל־פַּרְעֹה לְדַבֵּר בִּשְׁמֶךָ הֵרַע לָעָם הַזֶּה וְהַצֵּל לֹא־הִצַּלְתָּ אֶת־עַמֶּךָ׃

Da kehrte Mosché zu Ha-Schém zurück und sprach: Herr, warum lässt Du es diesem Volk so übel ergehen? Warum hast du mich denn gesandt? Seitdem ich zu Par’o gekommen bin, um in Deinem Namen zu reden, behandelt er das Volk noch schlimmer, und Rettung hast Du deinem Volk nicht gebracht! (Schemót 5:22-23)

Im Unterschied zu den Vorvätern, die wahrhaft auf G”tt vertrauten, stellte Mosché ihm kritische Fragen. Dafür wurde er bestraft. G”tt sagte zu ihm:

וַיֹּאמֶר ה’ אֶל־מֹשֶׁה עַתָּה תִרְאֶה אֲשֶׁר אֶעֱשֶׂה לְפַרְעֹה כִּי בְיָד חֲזָקָה יְשַׁלְּחֵם וּבְיָד חֲזָקָה יְגָרְשֵׁם מֵאַרְצֹו׃

Ha-Schém aber sprach zu Mosché: Nun sollst du sehen, was Ich an Par’o tun werde; denn von starker Hand [gezwungen] wird er sie ziehen lassen und von starker Hand [gezwungen] wird er sie aus seinem Lande treiben. (Schemót 6:1)

Das, so erklärt der Midrásch, ist die Strafe: „Du wirst zwar Meinen Sieg über Par’o sehen, aber nicht die Siege über die 31 Herrscher von Kena’an.“ Schon damals entschied G”tt also, dass Mosché das Land Israel nicht betreten durfte.
Worin lag Moschés Fehler? Er scheint erwartet zu haben, dass die Rettung durch G”tt in einem einzigen Augenblick kommen würde: יְשׁוּעַת ה’ כְּהֶרֶף עַיִּן. Vielleicht meinte er, dass der Par’o nach Moschés Aufforderung, das Volk Israel gehen zu lassen, sofort G”tt anerkennen und gehorchen würde. Aber: כִּי לֹא מַחְשְׁבֹותַי מַחְשְׁבֹותֵיכֶם וְלֹא דַרְכֵיכֶם דְּרָכָי – ‘denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege’ (Jescha’jáhu 54:8).

Auf G”tt zu vertrauen bedeutet, auch zu akzeptieren, dass G”tt Seine eigenen Wege hat, die wir oft nicht verstehen. War für Mosché nicht klar, dass Er trotz allem Sein Versprechen halten würde? Vielleicht hat Mosché auch nicht verstanden, dass sogar das Exil einen Zweck hat. Er sah das Leid seiner Brüdern, wie es der Führer unseres Volkes soll. Aber, im ägyptischen Exil wurden wir von der Familie unseres Vorvaters Ja’akow-Jissra’él zum Volk Israel. Das Leiden in Ägypten weist auf unsere zahlreichen späteren Exilerfahrungen voraus und deutet an, dass kein Exil uns zerstört, dass kein Exil das Ende des Bundes mit G”tt bedeutet. Im Gegenteil: Der Bund ist ewig und unveränderlich und hat uns die Kraft gegeben, unter den widrigsten Umständen zu überleben.

Der Midrásch gibt für den Vergleich mit den Vorvätern noch eine zweite, für Mosché günstige Deutung. G”tt versprach den Vorvätern, dass ihre Nachfahren das Land erben würden, und schloss mit ihnen einen Bund, aber das geschah immer mit dem G”ttesnamen E–l Schad–dáj. Er bedeutet ‘der Eine, der kann’, drückt G”ttes nicht ausformulierte Allmacht aus und bezeichnet Ihn als den, der die Mächte der Welt in Schach hält. Jetzt aber ist die Zeit gekommen, den Bund erstmals mit dem unaussprechbaren Namen, dem Tetragramm auszudrücken, denn „du, Mosché, wirst nun sehen“, wie G”tt sein Volk aus der Gewalt Ägyptens befreit.

Vertrauen in G”tt kann je nach den Umständen verschiedene Formen annehmen. Manchmal müssen wir einfach auf Ihn vertrauen und Ihm treu bleiben, aber es gibt auch andere, historische Momente, in denen G”tt sich denen offenbart, die Ihn suchen, und in denen der Bund mit dem unaussprechbaren Namen ausgedrückt wird. Jetzt sehen wir!

Als das Leiden im ägyptischen Exil zunahm und sich dem Ende näherte, waren unsere Vorfahren ausserordentlich fruchtbar. Nachdem sie schon die Hoffnung aufgegeben hatten, heirateten sie wieder, bauten Familien auf und lebten weiter, obwohl sich die Ägypter alle Mühe gaben, ihnen die letzte Kraft zu nehmen.

Diese Unverwüstlichkeit ist typisch für unser Volk, sie liegt in unserer Natur. Vor weniger als anderthalb Jahren griffen gut organisierte Terroristen das nördliche Israel an. Die IDF-Truppen zeigten eine hohe Moral, aber in diesem Krieg wurden viele Fehler gemacht – Fehler, aus denen die politische und militärische Leitung Israels hoffentlich lernen wird, so dass sie in Zukunft vermieden werden können. Unser Volk reagierte aber nicht nur militärisch. Aus dem Leiden in Ägypten entstanden neue Familien, und die jüdische Bevölkerung vermehrte sich enorm. Ebenso entstanden aus der Zerstörung durch die Hizbolla-Terroristen Familien, die auf G”ttes Schutz vertrauen und unser Volk vergrössern. In Zefát wurden im vergangenen Jahr mehr Kinder geboren als je zuvor, und das gleiche Muster zeigte sich auch anderswo, sogar in der Diaspora. Während die jüdische Bevölkerung in der Diaspora insgesamt immer noch abnimmt, haben die jüngeren Familien mehr Kinder, und diese Kinder bekommen eine überdurchschnittlich gute jüdische Erziehung. Täglich sagen wir am Ende des Morgengebets:

אֵלֶּה בָרֶכֶב וְאֵלֶּה בַסּוּסִים וַאֲנַחְנוּ בְּשֵׁם־ה’ אֱ–לֹהֵינוּ נַזְכִּיר׃ הֵמָּה כָּרְעוּ וְנָפָלוּ וַאֲנַחְנוּ קַּמְנוּ וַנִּתְעֹודָד׃

Diese mit Wagen und jene mit Rossen – wir aber rufen den Namen Ha-Schéms, unseres G”ttes, an. Jene knicken ein und fallen, wir aber stehen und überdauern [oder, wie Raw Samson Raphael Hirsch übersetzt: wir aber haben uns immer wieder erhoben und haben uns dauernd erhalten]. (Tehillím 20:8-9)

So wie G”tt zu Mosché sagte: עַתָּה תִרְאֶה ‘nun sollst du sehen’.

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