Kann G”tt – nach jüdischen Verständnis eine Rolle in Unterhaltungsliteratur spielen?
Gott ist nicht nur in der religiösen Literatur ein Begriff. In der letzten Zeit gibt es auch aufregende Unterhaltungsliteratur, in dem Gott einer der Hauptrollen einer Unterhaltungsgeschichte bekommt.
So veröffentlicht Der Spiegel zuletzt ein Artikel über Religions-Comics, unter dem Titel Blasphemie und letzte Fragen:
Wenn ein Werk “Die Chroniken von Wormwood” heißt und von der Freundschaft zwischen Gottes und Satans Sohn handelt, ist nicht viel Ehrfurcht zu erwarten. Auch zwei weitere Comics zollen Gott wenig Respekt.
Anderseits, gibt es die der Religion und Gott gegenüber ehrfurchtsvolle Literatur, die auch literarisch überzeugt wie z.B. Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott. Dort geht es um einen Mann, der in Depression versinkt, nach dem seine jüngste Tochter verschwunden und vermutlich gewalttätig umgekommen ist. Eines Tages erhält der Held des Buches einen Brief, unterzeichnet mit „Papa“, der ihn auffordert, sich dieses Wochenende mit ihm in einer Hütte zu treffen. Er verlässt seine Familie und begibt sich allein zur Hütte, unsicher, was er dort antreffen wird. Bei seiner Ankunft findet er nichts Besonderes, außer dem Blutfleck seiner kleinen Missy, doch als er wieder gehen will, verwandeln sich die Hütte und die umgebende Landschaft in eine paradiesische, einladende Umgebung. Er betritt die veränderte Hütte und begegnet dort Verkörperungen der drei Personen der Dreieinigkeit. Der “Vater,” erscheint als Afroamerikanerin, die sich selbst Papa nennt, Jesus als Handwerker aus dem Nahen Osten und der Heilige Geist als asiatische Frau mit Namen Sarayu. (Zusammenfassung basiert auf Wikipedia) Das Buch erschien er 2007 im Selbstverlag Windblown Media als The Shack. Bis März 2009 wurden fast ausschließlich durch Mundpropaganda über 6 Millionen Exemplare der Originalausgabe verkauft. (Ebd.)
Die obigen Büchern sind sehr deutlich von dem christlichen Gottesverständnis geprägt. Die Person Jesus, oder mindestens die eines menschlich verkörperten Gott, spielt in jedem diesen Büchern eine wichtige Rolle.
Kann über G”tt nach dem jüdischen Verständnis auch so geschrieben werden (obwohl ich abraten würde die respektlose Geschichten zu schreiben)? Oder nicht?
Nach meiner Meinung ist es gar nicht möglich solche Geschichten nach jüdischer Art zu schreiben. Die Hütte erzählt eigentlich wie Gott einen Menschen hilft, die Herausforderungen des Lebens zu akzeptieren. In diesem Sinne gleicht jene Geschichte einigermasse die des Propheten Elijáhu, im ersten Buch Melachím Kap. 19. Elijáhu fühlt, obwohl er in einer grossen Zeremonie den Kult des Bá’als wiederlegt hat und dem Volk von der Grösse G”ttes überzeugt hat, sich immerhin nichts geändert hat; er hat also gescheitert. Er zieht sich zurück in der Wüste und will sterben. G”tt aber akzeptiert dies nicht, und gibt ihn einen neuen Auftrag, und damit zeigt Er ihn auch, dass er noch leben muss und noch eine Rolle in der Welt zu spielen hat.
Ähnlich ist auch die Geschichte des Propheten Joná Sohnes Amitáj. Als dieser Prophet ebenfalls lebensmüde wird, weil auch er denkt, seine Aufgabe war umsonst, zeigt G”tt ihn mittels einem Strauch, dass Er auf all seinen Geschöpfen Erbarmen hat und ihre Rückkehr zu die Aufrichtigkeit sehen möchte.
Man sieht also im Grundriss eine Ähnlichkeit zwischen den Geschichten der beiden Propheten einerseits und die des Buchs Die Hütte. Doch sind die zwei Arten Geschichten literarisch sehr, sehr unterschiedlich. Zwar ist die Dreieinigkeit nicht absolut notwendig für die Geschichteie der Hütte , dafür aber ist die menschliche Gestaltung Gottes unentbehrlich, weil die drei Gottespersonen eben den Menschen besuchen kommen.
Für die Propheten hingegen wird die Kluft zwischen Mensch und G”tt nie überbrückt. G”tt hilft den Propheten, aber wird nie zu einem Guru, Freund oder Seelensorger, mit dem man einen Kaffee trinkt und Karten spielt. Die Erscheinung G”ttes bleibt eine sehr von der Ehrfurcht geprägte Erfahrung. Die Propheten sehen Ihn nicht, sondern hören Ihn nur und sie werden einfach aufgefordert, dieses Wort G”ttes auch zu akzeptieren. Ihre Heilung von ihren respektiven Lebensmüdigkeit kommt nicht von dem Seelensorg und der Begleitung G”ttes, sondern von der menschlichen Realisation, dass sie noch weitere Aufgaben haben, sogar diese persönliche Offenbarung zu verkünden.
In anderen Worten, gibt es nach dem jüdischen ausschliesslich unkörperlichen G”ttverständnis, kaum eine Möglichkeit den Charakter der Buchperson G”tt zu entwickeln. Ohne diese Charakterentwicklung kann es zwar prophetische Geschichten geben, aber nicht eine jüdische Die Hütte.
Die drei Komikbücher, über den Der Spiegel schreibt stehen der Religion kritisch gegenüber und schämen sich von keiner Gotteslästerung. Doch sind diese Bücher erst sehr vom christlichen Gottesverständnis geprägt. Neben der Verkörperlichung Gottes und der Figur Jesu spielen auch andere christliche Konzepte eine Rolle.
Das neueste Werk des irischen Erfolgsautors Garth Ennis erzählt die Geschichte von Danny Wormwood, seines Zeichens Sohn Satans und einer Sterblichen, der Antichrist. Statt den Willen seines Vaters zu erfüllen und den Weltuntergang herbeizuführen, produziert er TV-Serien und trinkt mit seinem Kumpel Jesus C in einer Bar.
…
Der Franzose Marc-Antoine Mathieu geht zurückhaltender und feinsinniger, aber nicht minder radikal zu Werke. In “Gott Höchstselbst” erzählt er, wie der Schöpfer menschliche Gestalt annimmt. Mathieu schildert, ohne das Gesicht Gottes je im Bild zu zeigen, klug und pointiert, wie Gott, nachdem er anfängliche Zweifel an seiner Menschwerdung beseitigen konnte, zunächst philosophische und wissenschaftliche Diskussionen befeuert, dann zum Medienspektakel und Markenartikel avanciert und schließlich als Verantwortlicher für alles Übel in der Welt vor Gericht landet.
Das dritte Buch, dass Der Spiegel erwähnt, geht in die gleiche “Tradition”:
Fragen ganz anderer Art widmet sich Gott, hier eine Art gestreifter Schokokuss mit Armen und Beinen, in Aike Arndts abstrus lustigem Cartoon-Band “Die Zeit und Gott”. Hier diskutiert Gott mit seinem Kumpel, dem Mond, über die Qualität von Schuhen aus Seelenheil …
Neben der christlichen, also nichtjüdischen Bildmotiven sind die Geschichten auch noch absurd. G”tt wird ja nicht etwa müde und nicht Er sondern die Menschheit hat die Aufgabe die Welt zu retten. Und ohne Körper wird sich G”tt ebenfalls keine Sorgen über Getränke in einem Bar oder über ein eigenes Menschenkörper machen. Dass die Schokokuss-Darstellung absurd ist ist schliesslich selbstverständlich.
Obwohl keine diesen Komikbüchern theologische Werken sind, erinnern sie an ein wichtiges Argument, weshalb es absurd ist, sich vorzustellen, dass G”tt eine Menschenform annehmen würde. Die Körperlichkeit ist im Wesen eine Einschränkung, ein Schwäche. Der Mensch, der ja ein Körper hat, wird müde, sogar manchmal lebensmüde, der Mensch-mit-seinem-Körper lässt sich von seine Aufgabe im Leben ablenken, und der Mensch-mit-seinem-körperlich-eingeschränkten-Verständnis hat erst die Neigung absurde Gespräche zu führen. Der Mensch lässt sich von seiner körperlichen Fleischligkeit übergewaltigen und er sucht sich Mitmenschen, also gleiche Wesen, mit dem er sich verbinden kann. Keine diesen Aussagen passt zur Unkörperlichkeit G”ttes, und als Überwesen gibt es auch keine ähnliche Wesen mit denen Er sich verbinden möchte. Nein, Seine Bündnisse wurden mit der Menscheit im Allgemeinem und mit Israel insbesondere geschlossen, also mit Seinen Untertanen.
Solche Bücher kann es also nach jüdischem Verständnis gar nicht geben.
Wenn es aber eine jüdische Literatur geben soll, die einigermasse dem Buch Die Hütte ähndelt, dann wäre es nach dem Muster des Buchs Ijów (Job). Übrigens gibt es eben eine Meinung im Talmud, dass jenes Buch nicht eine wahre Geschichte ist, sondern eine Allegorie um dem Menschen zu ermöglichen sich mit der Theodizee auseinanderzusetzen. Da gäbe es die Möglichkeit Geschichten von Menschen, die sich mit Hilfe von anderen Menschen von G”tt inspirieren lassen und schwierige Lebensabschnitten überwinden. Weil so eine Geschichte unsere Erfahrungen so viel näher stehen würde, wird es so viel währscheinlicher sein, ein Bestseller zu werden. Hoffnungsvolle Autoren, hier ist ein Hinweiss …
In einer zunehmend gottlosen Gesellschaft kann man nichts als pseudoreligiös gefärbten Unsinn erwarten. Gott als allzu menschliche Person darzustellen, dahinter verstecken sich alte antike Mythologien, die in Europa nie überwunden wurden. Nach der Götterdämmerung des europäischen Christentums dürfte jedoch eine neue Bewegung zu erwarten sein hin zu einer echten monotheistischen Theologie.
Einen schöne Gruß
Klaus Dieckmann