Wieso “ruhte” G”tt?

DeutschKi miBasel tezé Torá — aus Basel wird, gleich ehrwürdigen jüdischen Gemeinden der ganzen Welt, Torá veroffentlicht und gelehrt. Der basler Verlag Morascha veröffentlich nun die Neuausgabe des 2. Band des Hirsch-Chumasch, mit der Übersetzung und dem Kommentar des Rabbiner Samson Raphael Hirsch, ein klassiker der deutsch-jüdischen Torá-Literatur. Hirsch_Chumasch-MoraschaRabbiner S.R. Hirsch ist wohl bekannt und braucht kaum vorgestellt zu werden; über ihn wurden im Web sogar dützende biografische Seiten geschrieben. Doch ist die Neugestaltung seines Chumasch, das bisher nur als Offset-Druck der originalen Ausgabe — in gothischen Schrift — vorhanden war, zu feiern. Der Text ist schön und deutlich gedruckt, Druckfehler wurden korrigiert und das ganze in einem attraktiven Ensemble gebunden. Die Lehre von Rabbiner Hirsch ist wieder in der Originalsprache breit zugänglich.

Als Illustration seiner tiefen Verständnis des Torá-Textes und der Gebote, bringe ich hier eine Erklärung aus dem Buch Schemót, also aus dem neu erschienenen Band, die eine Stelle in dem Wochenabschnitt der kommenden Woche – Berejschít – erläutert.

Eine immer wiederkehrende Frage im Bezug auf der Schöpfungsgeschichte ist, wieso man an dem Schabbat, der nach Schemót 20:11 Andenken an dieser Schöpfungsgeschichte ist, ruhen muss? Wieso ruhte G”tt, der ja kein Körper hat und dem entsprechend nicht müde wird?

In seinem Kommentar zu Schemót 20:11 (S. 265) schreibt Rabbiner Hirsch:

Sechs Tage sollst du im Dienste G”ttes deine von Ihm dir verliehene Herrschaft an den Dingen deiner Welt üben, und …, Schöpfer gleich, … sie alle zu Boten deiner Macht gestalten. Aber der siebte Tag bringt Stillstand dieser deiner Tätigkeit, ein Innehalten deines Schaffens, “שבת”, um ‘ה als deinem G”tte zu hüldigen … du trittst zurück, um G”ttes Herrschaft über deine Welt hin hervortreten zu lassen.

Wie? Indem du weder unmittelbar, noch durch dir gehorchende lebendige Kräfte mittelbar, deine Herrschaft an den Dingen und Wesen deiner Welt übest …

Die Ruhepflicht an SChabbat ist also nicht Ruhe-Pflicht, sindern Zurückhaltungs-Pflicht, oder Nichtschöpfen-Pflicht. Der Grund für diesen Pflicht wird weiter erläutert:

… denn, wenn G”ttes Schöpferwirken jetzt auch ruht, seit dem ersten siebten Tag ruht, Schabbat in der Schöpfung ist, keine neue Schöpfungen in der dich umfangenen Himmel-, Erd- und Meerwelt hervortreten, in Himmel-, Erd- und Meerwelt du alles nur nach in ihnen bereits vorhandenen Kräften und Gesetzen sich gestalten siehst, und höchstens nur dich, den Menschen, … neue Schöpfungen für seine Zwecke produzieren siehst …

Nach Rabbiner Hirsch entfaltet sich die menschliche Kreativität eben nur während des g”ttlichen Schabbats: G”tt hat sich seit dem Ende des sechsten Schöpfungstages zurückgehalten, Weiteres zu erschaffen und damit dem Menschen Raum geschaffen, dass er sich schöpferisch, also in Nachahmung G”ttes, benehmen soll.

In anderen Worten hat der g”ttliche Schabbat nicht aufgehört: die Menschheit kennt ausserhalb des Garten Edens eben nur diesen Schabbat; der siebte Tag hat nicht aufgehört.

Während wir aber kreativ die Welt umgestalten (was öfters, aber nicht immer, eine positive Sache ist), könnten wir nur unsere Kreativität wahrnehmen und G”tt vergessen; der Segen jedoch in der Anerkennung G”ttes zu finden ist. In den Worten des R’ Hirsch:

weil Er seit diesem ersten siebten Tage ruht, als Schöpfer dem Menschen nicht sichtbar ist — und doch von seiner Anerkennung als Schöpfer und Herrn der Welt durch den Menschen die ganze Heileszukunft der Welt und des Menschen bedingt ist — … darum ist seine Heiligen [d.h. des Schabbats] Segen, darum ist der Stillstand … keine Beschränkung, sondern Segen

Der menschliche Schabbat dient also zur Anerkennung der Schöpfung G”ttes und seiner Schöpferseins; deshalb ist die “Ruhe” an Schabbat eigentlich Nicht-Tun, Nicht-Schöpfen.

Am deutlichsten erscheint dies im Verbot, Licht am Schabbat an zu machen. Schliesslich verlangt es keine schierige Arbeit um ein Lichtschalter umzuschalten. Aber die erste Schöpfung G”ttes war das Licht, und an Schabbat wollen wir eben nichts physisches schöpfen, was unser Nichtanzünden des Lichts erklärt.

4 Responses to Wieso “ruhte” G”tt?

  1. Grundsätzlich stimme ich den Ausführungen der Schabbatruhe zu, doch beim Lichtschalterumschalten komme ich nicht weiter. Es wird ja kein Feuer gemacht und Funken fliegen auch nicht. Wie hätte ich denn meinen kleinen Sohn mitten in der (Schabbat-)Nacht versorgen können, wenn er schrie, ohne Licht anzumachen?

    Einen schönen Gruß

    Klaus Dieckmann

  2. Arie Folger says:

    Die theoretische Frage, wieso das Licht anmachen an Schabbat verboten ist, wird im Blog-Post bereits angesprochen: es gehoert zu den schoepferischen Taten, wie die Halacha sie definiert.

    Mit der praktischen Frage ist es so: nach Jahrtausende, dass wir den Schabbat einhalten, haben Juden viele praktische Loesungen fuer solchen Problemen. So liessen wir ein kleines Licht mit Sparlampe (ist nicht nur umweltschoenend, sondern verhindert gefaehrliche Zustaende, wenn eine heisse Gluhbirne in der naehe von Kleidern ohne Aufsicht brennt) in einem Schrank waehrend des Schabbatnachtes brennen – nachher konnte es sich automatisch mit einem Schaltuhr ausschalten. Weint das Buschi, dann muss die Tuere nur geoeffnet werden, damit es genug Licht im Zimmer gibt.

  3. Tom Sotil says:

    Sehr kurz und präzise.
    Rav Hirsch schafft es immer die “Ideen” der Tora in kurzen Worte auf den richtigen Punkt zu kriegen.
    Viele Leute denken (ich dachte das auch einmal), dass ruhen heisst: schlafen, nichts tun, etc., was eben nicht die Tora als Ruhe definiert. Die Ruhe von der die Tora spricht ist etwas spirituelles. Im Buch von Rav Hirsch (Chorew, wenn ich mich nicht täusche) schreibt er etwa so: “Wenn Jemand ein Taschentuch von einem Ort zum anderen Trägt am Schabbat (ohne Eruv wohlgemerkt) dann macht er eine Avera und ist sicherlich nicht müde.
    Bei einer Feier (Schalom Zachar, Schabbat Chatan, etc.) kann er den ganzen Tag Essen servieren, abräumen usw. und bricht kein Verbot.” Beim zweiten Beispiel ist er sicherlich mehr müde als beim ersten und hat dennoch den Schabbat gemäss der Halacha gehalten!

  4. […] Im übrigen hat G”tt sich am siebten Tag nicht erholt und ist es bezüglich G”tt absurd, von Erholung zu sprechen, wie ich hier erkläre. […]

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