Heute erschien ich als Teil eines interreligiösen Panels bei der europäischen Kommission, nach Einladung deren Präsidenten Jose Manuel Barroso, um sich laut Gedanken zu machen, wie die wachsenden intergenerationelle Spannung zu überwinden und die Solidarität zwischen Jung und Alt zu stärken. (Video der Pressekonferenz, in der ich zwar anwesend war, aber nicht das Wort ergriff) Anbei mein Beitrag.
Sehr geehrte Herren Präsidenten der Europäischen Kommission, des Rates von Europa und des europäischen Parlementes,
Sehr geehrte Eminenzen und Exzellenzen, sehr geehrte Gäste,
wie Sie wissen, ist es immer auch notwendig, über den sprichwörtlichen „Tellerrand“ zu schauen – also „out of the box“ zu denken. Das sogenannte soziale Netz hat ohne Zweifel zahllosen Menschen geholfen. Aber es ist nicht das einzige Modell sozialer Sicherheitsnetze. Im Laufe der Geschichte und in vielen Ländern und ganzen Kontinenten ist es bis heute so, dass die Familie als Sicherheitsnetz fungierte und fungiert. Unbenommen ist es richtig, dass das moderne Modell des sozialen Netzes deswegen zustande kam, weil bestimmte Krisen für die Familien so schwerwiegend sind, dass sie nicht mehr bewältigt werden konnten. Dennoch stellt sich die Frage, was aus der Familie geworden ist, seit die staatlichen sozialen Sicherheitsnetze geschaffen wurden. Vielleicht sind sinkende Geburts- und Heiratsraten Zeichen dafür, dass es um das Modell Familie nicht gerade gut steht, und dass vielleicht gerade wegen der Art und Weise, in der das moderne soziale Netz realisiert wurde.
Kostenlose Hochschulbildung und ein garantiertes minimales Einkommen erwecken bei der Jugend ein erhöhtes Gefühl von Unabhängigkeit. So wurde einfacher als je zuvor, das Elternhaus frühzeitig zu verlassen. Soziokulturell hat die Abkopplung der Sexualität vom Paar-Sein, Ehe und Familie das Bleiben in der elterlichen Wohnung bisweilen unerträglich gemacht, weil es kein biologisches Laufwerk gibt, das die Unabhängigkeit so stark fördert, wie eine aktive Sexualität.
Diese gekoppelten Phänomene, die oben erwähnten ökonomische und biologische Faktoren, erklären einen großen Teil der Erosion der Solidarität zwischen den verschiedenen Generationen. Hinzu kamen weitere Faktoren, die dazu beigetragen haben. Der soziale Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Generationen wurden erheblich ausgerechnet von der Art beeinflusst, in der das soziale Sicherheitsnetz selbst in seinen Rechtsvorschriften erlassen wurde. Heutzutage sollen die familiäre Bindungen nicht mehr so viel bedeuten, denn es wird erwartet, dass sich die gesamte arbeitende Bevölkerung mit der gesamten älteren und der gesamten jüngeren Generation solidarisch fühlt. Dies sind bedeutende emotionale Anforderungen an Personen, die keine besondere Verwandtschaft zu jenen Mitbürgern fühlen, mit denen sie solidarisch sein sollten, und sie auch nie kennenlernen werden. Nur wenn die Solidaritätssteuern relativ niedrig sind, kann so eine Solidarität aufrecht erhalten werden. Derzeit sind die Steuersätze aber weit zu hoch und die Last wird immer unerträglicher.
Aus diesem Grund möchte ich vorschlagen, dass wir das Sicherheitsnetz und die entsprechenden Gesetze überdenken und neu konzipieren. Nicht länger sollte das Sicherheitsnetz anstelle der Familien operieren. Vielmehr sollten die Gesetzgeber den besonderen Wert und die speziellen Funktionen von familiären Bindungen erkennen und fördern. Das Sicherheitsnetz sollte nur in den Fällen greifen müssen, wo die Familie die Herausforderungen nicht mehr tragen kann, beziehungsweise die Familie als Struktur im Notfall derart finanziell stärken, dass sie das Medium der Hilfeleistung bleibt, die Familie, nicht notwendigerweise das Individuum. Übertragungen innerhalb der Familie sollten grundsätzlich nicht besteuert, und nach legitiemen Bedarf sogar mit staatlichen Zuschüssen ergänzt werden. Zudem sollten rechtliche Erwartungen entstehen, in der Hinsicht, dass junge Menschen bis ins Erwachsenenalter in ihrem Elternhaus bleiben, und sogar einige Jahre länger (Studium, Arbeitslosigkeit usw.), und dass erwachsenen Kinder eine aktive Rolle in der Betreuung und Pflege ihrer alten Eltern spielen. Ebenso sollten Bildungssystem und Kultur einen gesünderen und familienfreundlicheren Ansatz zur menschlichen Sexualität fördern.
In diesem Sinne möchte ich das hebräische Wort für Gnade – „Chessed“ – erwähnen. In seinem biblischen Kontext, vermittelt sie den gegenseitigen Bund eines Volkes, einer Familie oder eines Paares. Sowohl das zinslose Verleihen von Geld an Arme, ihnen zu helfen, selbständig aus ihrem Elend emporzusteigen, und das Paar-Sein werden als „Chessed“ bezeichnet. Es ist diese gesunde Ansicht, die die wirtschaftlichen, sexuellen und sozialen Bindungen in unserer Vorstellung des Begriffs integriert, die die den Weg aus der gegenwärtigen Situation bieten könnte.
Danke.
[…] couple of weeks ago I posted these two posts (in English and in German) about thoughts I shared at an interfaith meeting at the European Commission. Well, here are the […]