Folgender Artikel meiner Wenigkeit erschien im ORD Magazin zu Rosch haSchana 5775. [20150825: Das war also in September 2014. Obwohl ich ihn erst jetzt, mit einem Jahr Verspätung hochlade, finde ich ihn weiterhin relevant, weil Israel immer im Kern des Weltbewusstsein bleibt, und erst noch jetzt, als über das beängstigende Nuklearabkommen mit dem Iran so viel gesprochen wird. Es ist nicht um sonst, dass die Welt immer über Israel spricht.]
Theologische Betrachtungen zum letzten Gaza Krieg – September 2014
Noch ist der Erfolg des letzten Waffenstillstandes mit der Hamas – der elfte seit Anfang der Kämpfe – nicht gesichert, fragen sich sowohl einfache Israelis als ihre politische Entscheidungsträger, ob dieser Waffenstillstand endlich den Weg des Friedens und der Koexistenz vorbereiten wird, oder leider wie die neu-neuste Geschichte des Gazastreifens vermuten lässt, die Hamas nur eine Hudna plant, eine Waffenruhe, um eine nächste Runde dieser Gewalttätigkeit vorzubereiten, in der noch mehr und noch fortgeschrittenere Waffen eingesetzt werden können, in der schrecklichen Hoffnung mehr Juden zu ermorden.
Diesmal bereits zeigte die Hamas, wie viel Fortschritte, sie schon geleistet hatte. Ein Arsenal von zigtausende Rakete, die absichtlich so geschossen wurden, dass sie möglichst viele Zivilisten verwunden und töten würden, unterstützte indirekt ein hochentwickeltes Netzwerk von Tunnels, das angeblich im Nächsten eine oder mehrere Massenterrorattacken ermöglichen müsste, mit hunderte oder sogar tausende Opfer und Geisel.
SELBSTGEBASTELLTE RAKETE
Die Reaktion des Westen, als die Raketensalven größtenteils erfolglos blieben, und der kleinere Bruchteil, der drohte, auf dicht besiedeltem Gebiet zu fallen, vom Iron Dome abgeschossen wurde, war, dass diese selbstgebastelte, fast harmlose Waffen sind. Nicht so aber in Wirklichkeit, wie die wenigen Fälle von Raketen, die im besiedelten Gebiet trotz Iron Dome vielen. Eine Rakete tötete etwa dreißig Rinder, andere zerstörten Häuser, und schließlich tötete eine Rakete ein vierjähriger Junge und vielen auch andere Opfer. Diese Hamas-Rakete sind alles andere als harmlos, und das nicht mehr Opfer vielen, ist schlicht ein Wunder. Mit Recht sagen wir dazu Baruch Haschem.
Vielleicht sind wir auch geneigt, vor dem israelisches technologischen Können zu staunen. Noch nie war ein Raketenabwehrsystem so erfolgreich. Die Erfolgsquote vom Iron Dome war so hoch, dass manche Waffenexperten daran unbedingt zweifeln wollten, aber das Resultat spricht für sich. Bestimmt ist der Erfinder, und sind die Ingenieure, die Iron Dome entwickelt haben und es verwenden, Helden, die eine erhebliche Zahl Menschen vor dem fanatischen islamischen Terror der Hamas und des Islamischen Jihad geschützt haben. Doch liegt in dieser Bewunderung des menschlichen Vernunfts eine Gefahr. Wie die Tora lehrt (5. B.M. 8:11-18): Hüte dich, dass … dein Herz sich alsdann nicht erhebe … und dass du nicht sagst in deinem Herzen: Meine eigene Kraft und meine fleißigen Hände haben mir diesen Reichtum verschafft; sondern du sollst des Ewigen, deines G“ttes, gedenken; denn Er ist es, der dir Kraft gibt.
Noch nie hatte das menschliche Vernunft ein so erfolgreiches Raketenabwehrsystem entwickelt. Führende Experten glaubten, es sei sogar unmöglich ein so erfolgreiches System zu haben, und jedoch war es fast so als es in der Bibel steht (4. B.M. 31:49): und es fehlt nicht einer. Es wäre eine Hochmut nur das menschliche Vernunft und Können zu sehen, und nicht die Augen, Ohren und den Verstand zu öffnen, um begreifen zu können, denn Er ist es, der dir Kraft gibt.
WUNDERGESCHICHTEN
Während dieses Krieges wurden in den sozialen Netzwerken und in der Presse zahlreiche Wundergeschichten erzählt. Manche konnten sachlich belegt werden, wie die Geschichte des Weizenfeldes, dass aus halachischen Überlegungen bei Kibbuz Sufa in Juni kahl geschnitten wurde, das zwei Tage später ermöglichte, dreizehn Terroristen, die aus einem Tunnel in der Nähe dieses Feldes an der Oberfläche kamen, auszuschalten, und damit eine massive Terrorattacke zu unterbinden (Sie Appendix). Andere Wundergeschichten wurden in der Presse bisher nicht unabhängig bestätigt. Dazu erwähne man gern das Diktum zu den chassidischen Wundergeschichten: bestimmt könnte die eine oder andere Geschichte wahr sein, und keine der Geschichten wäre für G”tt unmachbar. Jedoch glaubt nur ein Narr ausnahmslos an all diese Geschichten.
Als diese Geschichten durch die soziale Netzwerken kursierten, wartete kaum jemand für eine Bestätigung aus einer unabhängigen Quelle. Was motiviert Menschen, um so schnell und unkritisch an solchen Geschichten zu glauben? Einerseits zeigt das, wie viel Vertrauen wir in G”tt haben, und wie sicher wir sind, dass Er Israel schützt. Damit bringen wir unser G“ttvertrauen und unsere Glaube an der Richtigkeit des Rückkehrs nach Zion zur Ausdruck, und das ist eine gute Sache. Jedoch könnte sich hinter dieser unkritischen Haltung auch Mangel in unsere Glaube verbergen. Vermutlich schmachten wir nach klaren Zeichen von G”tt. Dieser Wunsch ist nicht neu. Ein Verzeihungsgebet, dass von Rabbenu Gerschom Meor haGola (960-1040) aus Mainz stammt, und in manchen Gemeinden am vierten Selichot-Tag gesprochen wird, fängt mit den Worten an „Wo sind Deine große und furchtbare Wundertaten!“ So auch sprach bereits der Psalmist (Ps. 44:2, 25): „O Gott, mit unsern eigenen Ohren haben wir es gehört, unsre Väter haben es uns erzählt, was du für Taten getan hast zu ihrer Zeit, in den Tagen der Vorzeit! … Warum verbirgst du dein Angesicht und vergissest unsres Elendes und unsrer Bedrängnis?“
Das ist aber eine Fehler. Wunder biblischer Ausmaß heißen so, weil wir sie eben nur in einer sehr begrenzten Epoche zurückfinden. Sogar während der biblischen Epoche waren solche Wunder seltsam. Die Welt wurde nicht als Disney-Odizee erschaffen, in der G”tt der Meister der Spezialeffekten ist, und uns so durch die Unterhaltungsamkeiten des Lebens führt. Viel eher dürfen wir die unsichtbare Hand G”ttes suchen, die dem Leben seinem Sinn gibt. In der letzten Zeit sahen wir so oft den heimlichen Schatten dieser unsichtbare Hand, dass übernatürliche Wunder gar nicht nötig waren. Wer kann zweifeln, dass G”tt Israel in Israel schützt, wenn 3500 Raketen nicht einmal zehn Menschen töten? Übernatürliche Wundergeschichten unbedingt zu verlangen, heißt, nur sie als Taten G”ttes zu anerkennen, wenn eigentlich so viel mehr sich von Ihm dauernd verwirklicht. Sicher sind solche Geschichten – wenn sie war sind – herzerwärmend. Aber unsere Glaube hängt nicht davon ab und beschränkt sich nicht auf sie.
KONFLIKTZONE
Wenn Sie, lieber Leser, diese Zeilen lesen, wird der Krieg hoffentlich nicht mehr Gegenwart sondern Vergangenheit sein. Langsam werden sich immer mehr Leuten die Fragen stellen, wieso der arabisch-jüdischer Konflikt so lange andauert, und wieso die Welt diesem vergleichbar kleinen (aber lang andauernden) Konflikt so viel mehr Aufmerksamkeit schenkt, als vielen anderen Krisen. Interessanterweise wurde die Region des Heiligen Landes nicht erst mit dem modernen Zionismus und arabischen Nationalismus ein Krisenherd, sondern ist es seit eh und je. Bevor Juden in großen Zahlen zurück nach Israel kamen (und wegen sie auch viele Araber aus Ägypten und Syrien hinzogen), wurde das Land während derletzten dretaused Jahre, in umgekehrter Reihenfolge, von Osmanen, Mamluken, Kreuzzüger, Araber, Römer, Seleukiden und Ptolmäer, Persen, Babylonier, und Assyrier besetzt. Ein guter Jahrtausend zuvor, zur Zeit des Stammvater Abraham, hatten vier mesopotamische Könige das Heilige Land sich unterworfen, bis sie ihr Joch abwirf. Später wurde die Region Teil des ägyptischen Einflussgebiets, bis das Volk Israel es befreite.
Die konfliktreiche Geschichte dieses Landes fing also nicht erst im 20. Jh. an. Israel bildet eine sehr wichtige geografische Brücke zwischen den zwei Teilen des fruchtbaren Halbmondes. Wer Israel beherrschte, kontrollierte die Handelswege und konnte sogar die ganze Region beherrschen. Warum wählte G”tt ausgerechnet dieses umstrittenes Land als heiliges Wohnsitz auf Erden? Wären zum Beispiel Uganda, Patagonia oder Birobidschan keine bessere Orte, um ein heilige Land anzubauen?
Der Vorschlag, Juden hätten anderswo ihr heiliges Land aufbauen können, beruht auf ein grundsätzliches Missverständnis der Gedanke der Heiligkeit des Landes. Nicht die Ruhe und Meditative Qualitäten des Landes sind die, die in der Vordergrund stehen sollen. Mit “heiligen Land” meint unsere Tradition nicht, dass ein Netzwerk von Tempeln und Akademien entstehen soll,nach dem Muster von Tibet und anderen mysteriösen asiatischen Stätten. Unter dem Begriff Heiligkeit verstehen wir was ganz anderes. Das Ziel unserer Verbindung mit de Land ist nicht, dort die Mystik heimzusuchen, obwohl auch die wichtig und profund sein kann. Viel eher wird damit gemeint, dass wir ausgerechnet in jenem Land unsere Werten derart ausleben sollen, dass wir weitgehend unsere jüdische Utopie aufbauen, ein Land, dass nach den jüdischen Werten lebt. In dem G”ttesliebe, Menschenliebe und Gerechtigkeit miteinander verbunden sind. Und Ihr seid für mich ein Reich der Priester und eine heilige Nation (2. B.M. 19:6), oder in den berühmten Worte des Profeten Jesajas (49:6): Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde.
Unsere Berufung, das Licht der Nationen zu sein, verwirklichen wir nicht durch missionärische Aktivitäten, Flugblätter usw. zu verteilen, sondern in dem wir unsere schöne, vorbildliche Gesellschaft aufbauen, die dann von anderen bewundert und nachgeahmt werden kann. Dafür reicht es nicht, diese Utopie in einer ruhigen unaufmerksamen Ecke der Welt, in Uganda, Patagonien oder Birobidschan aufzubauen. Nein, dafür müssen wir dort sein, wo die Welt hinschaut. Es ist also gut, dass Israel immer wieder in den Nachrichten ist, auch wenn unfair und oft unwahr Bericht erstattet wird. Immerhin schaut so die Welt auf uns und lernt, langsam, sehr langsam, oft viel zu langsam, aber lernt unsere Werten kennenzulernen und sie nachzuahmen. Kein anderes Ort wäre besser,als das Land, dass G”tt unseren Stammvätern Awraham, Jitzchak und Jaakow schenkte. Das Land ist gut, sehr gut – טֹובָה הָאָרֶץ מְאֹד מְאֹד (aus dem 4. B.M. 14:7).
NOTA: Das Thema, weshalb das heilige Land sich ausgerechnet in einer Konfliktzone befindet, wurde ausführlicher im Podcast “Weshalb das heilige Land in einem Krisenherd liegt”.
Die wunderbare Vereitelung der Attacke bei Kibbuz Sufa
Am 17. Juli gab der israelische Armeesprecher bekannt, dass während der Nacht eine Gruppe von dreizehn Terroristen ausgeschaltet wurde, als sie aus einem Terror-Tunnel in der Nähe von Kibbuz Sufa an der Oberfläche kamen. Wie aus einem Video, dass der Armeesprecher freigab, zu sehen ist, kehrten sie unmittelbar, nachdem sie aus den Tunnel gekrochen waren, wieder im Tunnel, der dann unmittelbar mit einer schweren Bombe von der israelischen Luftwaffe zerstörte wurde. Alle dreizehn Terroristen wurden dabei umgebracht. Wie konnte die Armee sie so schnell entdecken, und warum flüchteten sie wieder in den Tunnel, sobald sie erst daraus gekommen waren? Die Toten sprechen nicht, aber die folgende Geschichte erklärt es schon.
Die Tora befielt, dass wir für Pessach besonders auf der Täuglichkeit der Mazzes achten müssen, dass sie nicht chamez werden (nicht einmal ein ganz klein bisschen vor dem Backen gären). Hütet die ungesäuerte Bröte heißt es im 2. B.M. 12:17. Diese Regel wird um so strenger eingehalten, wenn es um die Mazzes geht, die am Sederabend gegessen werden, die sgn. Schmure-Mazzes. Dafür werden sogar die Weizen speziell geerntet, gelagert und gemahlen, damit man vom Anfang des Vorganges versichern kann, dass die Weizen und das Mehl nie nass wurden. Deshalb sucht man sich auch lieber solche Weizen aus, die beim letzten Regen noch grün waren.
Vor etwa fünfzehn Jahren ernannte deshalb die Koscheraufsichtsabteilung der jerusalemer Edah Hacharedit den Kleinunternehmer Rabbiner Aharon Samet, der sich seit eh und je an der Landwirtschaft interessiert, zum besonderen Beauftragten, um jährlich ein passendes Feld zu finden, aus der ausreichend Weizen geerntet werden können, die alle Anforderungen beanspruchen.
Dieses Jahr standen aber müsste Samet mit seinen Kollegen zwei Hindernisse überwinden. Erstens hatte es Anfang Mai geregnet, als die Weizen in Israel längst nicht mehr grün sind. Zweitens brauchte auch noch doppelt so viel Weizen, da das bevorstehende Jahr ein sgn. Schmitta-, also Sabbat-Jahr ist, und keine Weizen angebaut werden dürfen.
Hin und her zog er durch das Land, und fand keine passende Felder, bis er während Juni Kibbuz Sufa besuchte. Dort fand er ein sehr großes Feld, dass erst im Januar, also für Israel besonders spät, angebaut wurde. Es wurde abgesprochen, ein paar Wochen später jenes Feld zu ernten, als die Weizen richtig trocken und reif wären. Mitte Juli sollten die Weizen geerntet werden. Obwohl der Gaza-Krieg bereits angefangen hatte, und die Bomben hin und her flogen, entschied sich Samet, doch das Feld zu ernten. An jenem Tag bekam er mehrmals Besuch von den erstaunten Militärpolizei und Sicherheitskräfte die kaum glaubten, dass jemand unter solchen Bedingungen Weizen ernten möchte, aber Samet beharrte und erntete alle Weizen jenes großen Feldes; die Erde war Kahl geschoren.
Einige Tage später erfuhr er in einem Radio-Interview, dass der Mund eines Terror-Tunnels dort war. Die ahnungslose Terroristen vermuteten, dass das Feld sie vom Sicht schützen würde, und sie so unbeobachtet Kibbuz Sufa eindringen könnten. Erstaunlicherweise war das Feld, und damit ihre Deckung, plötzlich weg. Sie eilten wieder in den Tunnel, nicht aber bevor sie von einer Drone gesichtet und unmittelbar ausgeschaltet wurden.
Ein Kommentator fügte im Internet folgende Bemerkung hinzu. Rabbiner Samit ist ein Jeruschalmi-Chassid, also sehr charedisch. Kibbuz Sufa ist bekanntlich sehr links-sekulär. Und es war als sie aufeinander trafen und zusammen mit Hingabe wirkten, dass diese merkwürdige Situation entstand. Mi ke-Ammecha Jisrael.