Seit wann und warum bedecken jüdische Männer beim Gebet ihr Haupt?
Statt “seit wann” zu fragen, und statt eine Antwort auf “warum” oder “weshalb” zu erwarten düfte man zuerst die dieser Frage zugrunde liegenden Annahmen hinterfragen. Denken Sie doch nach, die Frage, seit wann jüdische Männer ihr Haupt beim Gebet bedecken ist ja nur sinnvoll, wenn man annimmt, das Menschen sonst barhaupt gehen. Das stimmt aber außerhalb des Christentums nicht immer.
Lange bevor die Kippa vermutlich erfunden wurde, deckten Juden sich das Haupt. So lehrt der Talmud (Kidduschin 8a), dass bedeutende Leute sich das Haupt immer mit einem “Suddar” bedeckten. Auch andere Leute trugen Sudare, aber für ein prominenter Mann wie Raw Kahana war ein Suddur überall und jederzeit derart wichtig, dass er nach Bedarf auch fünf silberne Selaim dafür zahlen würde, während andere scheinbar für die Ausverkauf-Preise warteten, denn die würden zehn für dreizehn bekommen (also zehn Sudare für dreizehn Sus-Müntze, was 3,25 Sela entspricht), also mit nicht weniger als 93,5% Rabatt!
Wie müsste ein Sudar aussehen? Ich habe keine Ahnung, vermute, dass es wie eine der im Mittenosten noch heute gangbaren Kopfbedeckungen ausgesehen hat.
Da die Toragelehrte nicht alle reich waren, scheint der Sudar weniger Status-Symbol gewesen zu sein, als Kleidungsstück, dass unbedingt dazu gehört, was uns zur nächsten Frage führt…
Warum bedecken jüdische Männer also ihr Haupt?
Es werden verschiedene ähnliche Gründe, und dazu passende Volksetymologieen der verschiedenen Namen für das jüdische Käppchen angegeben. Mann erinnere sich damit, dass immer Etwas/Jemand über uns ist und auf unseren Taten hinschaut, deshalb nennen littauer Juden (“Litwaks”) das Käppchen Jarmulka, von Jarei Malka, Ehrfurcht vor dem himmlischen König.
Schlußendlich kommt man aber von der folgenden Tatsache nicht weg: Im Judentum ist es frech, barhaupt zu gehen. Denken Sie daran, wenn Sie Ihre Freunde besuchen, es ist respektlos und hochmütig, den Hut abzunehmen. Wenn Sie anders denken, dann ist das das Resultat der Tatsache, dass Sie im Westen aufwuchsen oder von ihre Kultur sehr geprägt sind. Die Frage ist also nicht, seit wann jüdische Männer ihr Haupt beim Gebet bedecken, sondern seit wann dieser freche Brauch, barhaupt zu gehen, in Europa Usus wurde. Warum bedecken jüdische Männer also ihr Haupt? Weil das eine Frage der Anstand, des Respekts und der G”ttesfurcht in einem ist.
Fazit
Das Haupt wird deshalb vorzugsweise nicht nur beim Gebet, sondern immer bedeckt, aber das Religionsgesetz erlaubt in bestimmten Situationen, eine Ausnahme zu machen, z.B. wenn man bei möglicherweise unverschämten intoleranten Arbeitgeber arbeitet, oder mit solchen Kunden zu tun hat. Wenn Sie also ein nichtjüdischer Arbeitgeber mit normalen Kunden sind, und einen jüdischen Angestellte haben, vermitteln Sie ihm doch, dass er ruhig auch mit Kipa im Büro kommen darf. Damit zeigen Sie Ihren Arbeitsnehmern und Ihrer Kundschaft, dass Sie tolerant und weltoffen sind, was ja nur besser für den Business sein soll.
trotzdem würde mich interessieren, seit wann die Vorschrift besteht, in der Synagoge eine Kopfbedeckung zu tragen!
In den 613 Geboten steht das ja wohl nicht – oder doch?
Na ja, in der Tora steht so etwas nicht. Zum Gebet gibt es schon eine Pflicht, sein Haupt zu bedecken, wie zum Beispiel im Rambam Hilchot Tefilla Kap. V §5 [Wikitext, hebräisch]. Die halachische Autoritäte setzen sich weiter auseinander mit der Frage, ob man ein Gebet oder ein Segensspruch wiederholen muss, wenn es (irrtümlicherweise) ohne Kopfbedeckung gesprochen wurde.
Das Haupt ständig zu bedecken wird hingegen in der Halacha als Minhag beschrieben. Es ist zwar ein sehr bedeutender Brauch, aber keine absolute Pflicht. Deshalb kann Raw Mosche Feinstein im ersten rabbinischen Gutachten seines Werkes Igrot Mosche auch erlauben, dass jemand bei der Arbeit keine Kippa tragt.
Jedoch ist das keine Antowrt auf deine Frage “seit wann”. Es ist aber meine Behauptung, dass wir das einfach seit eh und je tun und es zum jüdischen Anstand gehört. Alles anderes versteht man viel besser, sobald man begreift, dass das Anstand ist, und nicht umgekehrts. Aus den Beschreibungen der Pflicht, zum Gebet sein Haupt zu decken, und was noch dazu geschrieben ist, kann man ableiten, dass barhaupt gehen als unbescheiden und frech gilt.
Aber wir sind tolerant, und wenn wir Männer und Frauen, besonders im Westen sehen, die barhaupt gehen, dann denken wir nicht, dass das alle freche Leute sind, sondern einfach solche, die unsere Regel der Anstand, unsere Kultur und unseres Gedankengut nicht kennen oder nicht só leben. Immerhin lohnt es sich, zu verstehen, wer was als Anstand erlebt, damit weniger Missverständniße entstehen und wir miteinander gegenseitig anständig umgehen.