
Die Volkszählung der Israeliten, Philippoteaux
Im Buch Bamidbar das wir derzeit lesen werden Zahlen, oder besser gesagt Zählungen, groß geschrieben. Am Anfang des Buches Bamidbar werden die zwölf Stämme gezählt, mit Ausnahme des Stammes Lewi, das unmittelbar danach separat gezählt wird. In unserem Wochenabschnitt wird die Volkszählung der zwölf Stämme (wiederum, mit Ausnahme des Stammes Lewi, welches separat und nach anderen Alterskriterien gezählt wird) erneut durchgeführt. Daher ist es kein Wunder, dass unsere Weisen das Buch auch Chomesch ha-Pekudim — das Buch der Volkszählungen — nennen, was freilich in Lateinisch Numerii heißen könnte. Verzeihung, es heißt deshalb tatsächlich Numerii.
Auch heutzutage ist eine Volkszählung keine leichte Sache. Bevor der digitalen Ära war es aber eine fast unmögliche Aufgabe. Wieso dann zählte Mosche das Volk erneut, obwohl er das Volk nicht mehr als 25 Kapitel zuvor schon einmal gezählt hatte? Die Volkszählung unseres Wochenabschnittes wird von einem Krieg mit Midjan eingeklammert. In Bamidbar 25:16-18 befiehlt G”tt Mosche, einen Vergeltungskampf gegen Midjan zu führen. Abermals folgt dieser Befehl in ebd. 31:1-2. Dessen Ablauf wird dann in den darauffolgenden Versen jenes Kapitels geschildert. Zwischen dem 25. und 31. Kapitel erfolgt die Volkszählung der Benej Jissraël.
Auffällig dabei ist, dass nicht alle Israeliten gezählt werden, sondern nur die kriegsfähigen: „Ermittle die Zahl der ganzen Gemeinde der Kinder Israel von zwanzig Jahren an und darüber, nach ihren Vaterhäusern, all derer in Israel, die tauglich sind, ins Heer zu ziehen“ (Bamidbar 26:2). Sollen wir daraus schließen, dass die Volkszählung aus gegebenen Anlass, nämlich des bevorstehenden Kampfes gegen Midian, für militärische Zwecke durchgeführt wurde?
Dem müssten wir widersprechen, da sich an jenem Kampf nur 12000 Männer, eintausend von jedem Stamm, beteiligten. Dafür bräuchte man keine Volkszählung. Viel eher steht die Volkszählung mit der sprichwörtlichen Zurücksetzung einer Uhr gleich. Wie ich bereits in dieser Kolumne vor zwei Wochen zum Abschnitt Chukat erklärte, sollte die erste Volkszählung unseres Chumasch-Buches (Chumash = Fünftel, Buch aus dem Pentateuch) das Volk auf den Einmarsch und die Aufteilung von Eretz Israel vorbereiten, das unmittelbar bevorstand. Leider kam es damals wegen der Sünde mit den Kundschaftern nicht dazu. Diesmal, nach vierzig Jahren Wüstenwanderungen, nach dem ersten militärischen Sieg, stehen unsere Vorfahren unmittelbar vor der Grenze des Heiligen Landes und das Buch Bamidbar kann seine Geschichte beenden. Das Volk wird also nicht wegen des Kampfes gegen Midjan gezählt, sondern zur vorbereitenden Organisation des endlich tatsächlich unmittelbar bevorstehenden Einmarsches nach Israel.
Warum wird dann der Befehl, gegen Midjan zu kämpfen, von unserer Volkszählung unterbrochen? Möglicherweise zeigt die Tora damit, was wichtiger ist, nicht der Krieg gegen Midian, sondern der Einmarsch ins Heilige Land.