Frag den Rabbi: Wir missionieren nicht! (Aber warum nicht?)

Rabbi-CoolClips_vc074807DeutschFrage: Ich betrachte missionieren als “Sünde”: Wir Juden missionieren nicht. Das ist für mich so klar wie Erbsensuppe. Aber hie und da werde ich von Christen (viele Christen betrachten das für sich als Pflicht) gefragt: Warum tun WIR das eigentlich nicht?

Wir missionieren nicht, weil wir nicht erwarten, dass irgendwann alle Menschen Juden werden. Auch im ‘Alenu-Gebet sprechen wir nur von der allgemeine Anerkennung des einzigen G”ttes, und nicht, dass alle Völker jüdisch werden. Das ‘Alenu-Gebet endet mit dem Vers (Secharja 14:9) וְהָיָה ה’ לְמֶלֶךְ עַל כָּל הָאָרֶץ בַּיּוֹם הַהוּא יִהְיֶה ה’ אֶחָד וּשְׁמוֹ אֶחָד – Und der Ewiger wird über die ganze Erde König werden; an jenem Tage wird der Ewiger alleine sein und sein Name nur einer. Die Herrschaft G”ttes wird allgemein akzeptiert, und alle Menschen sich noachidisch korrekt benehmen werden, G”tt und Seine Lehre anerkennen. Von einem Massenübertritt steht aber kein Wort.

So auch in Jesaja Kap. II. Dort heißt es (Jesaja 2:2-3):

Es wird in spätern Zeiten geschehen, dass der Berg des Hauses des Ewigen festgegründet an der Spitze der Berge stehen und über alle Höhen erhaben sein wird, und es werden ihm alle Heiden zuströmen; und zahlreiche Völker werden hingehen und sagen: Kommt, laßt uns wallen zum Berge des Ewigen, zum Hause des G”ttes Jakobs, dass er uns belehre über seine Wege und wir wandeln auf seinen Pfaden! Denn von Zion wird die Lehre ausgehen und des Ewigen Wort von Jerusalem.

Aus dieser zukunftigen Utopia wird sich ergeben, was zweifelsohne das bekanteste Zitat Jesajas ist (ebd. Vers 4):

Und er wird Schiedsrichter sein zwischen den Nationen und zurechtweisen große Völker, also daß sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Rebmessern verschmieden werden; kein Volk wird wider das andere ein Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen.

Dieses Zitat schmuckt auch das Dag Hamarskjöld Plaza in New York, gegenüber den Vereinigten Nationen. Das nur die zweite Hälfte des Zitats bekannt ist, ist natürlich tragisch, denn nach der Prophezeihung erfolgt Vers 4 aus den Gegebenheiten der Verse 2-3. Sonst suchen wir den Frieden, ohne die Basis der gemeinsamen Werten dafür zu schaffen.

Immerhin sprechen auch diese ausführlichere Zitate zwar von einer allgemeinen religiösen Bewustsein aller Völker, nicht aber von deren Konversion zum Judentum, da sie weiterhin als “zahlreiche Völker” bezeichnet werden.

Damit ist zwar belegt, dass wir nicht erwarten, dass die gesamte Menschheit jüdisch wird, aber warum nicht?

Im 2. Buch Moses befiehlt G”tt (2. B.M. 19:6): “Und ihr seid für Mich ein *Reich* der Priester und eine heilige Nation”.

Heiligkeit ist ein Begriff, dass in unzähligen Kulturen und Konfesisonen bekannt ist, auch wenn wir nicht all gleicher Meinung derer Definition sind. Was aber soll ein “Reich der Priester” sein? Priester verbinden zwischen einem Kult, einer Götlichkeit und einer Gemeinde. So gibt es unter Juden eine Familie, die Nachkommen der männliche Linie Aharons des Priesters (des Bruders Mose), die erblich Kohanim (Priester) sind. Sie hatten zu Tempelzeiten die Verantwortung, die Opfer Israels im Tempel für sie zu opfern, und sie so vor G”tt zu vertreten. Ebenso müssten sie dem Volk die Lehre G”ttes lehren (vgl. Ezekiel 44:23-24). Wieso soll aber das ganze Volk – nach 2. B.M. 19:6 – Priester sein, und wofür sollen sie ein Reich bilden?

Jude zu sein heißt erblich und für ewig Mitglied der Marketing-Agentur G”ttes Werte zu sein. Das Ziel dieser Agentur ist es, eine Modellgesellschaft im heiligen Land aufzubauen, dass andere Menschen dazu führen wird, sich nach ihren Werten – und dem Wort G”ttes – zu informieren. So werden wir auch Priester für die ganze Menschheit, nach dem Motto des obigen Verses. Diese erbliche dienstpflicht ist die, für die Abraham auserwählt wurde, wie es heißt (1. B.M. 18:19), dass G”tt mit Abraham eine besondere Beziehung hat: Denn ich habe ihn dafür erkoren, dass er seinen Kindern und seinem Hause nach ihm befehle, des Ewigen Weg zu halten und Gerechtigkeit und Recht zu üben, für das der Ewiger auf Abraham bringe, was er ihm verheißen hat.

Jede und jeder, die sich dieser Berufung ernsthaft anschließen mochte, kann und darf übertreten, alle andere müssen nicht.

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