Weshalb gilt für Geflügel ebenso wie für anderes Fleisch die Trennung von Milchigem? Mir wurde gesagt, weil das Geflügelfleisch optisch dem von Rind/Lamm etc. gleicht, und man vom Kleinen auf’s Große schließt. Aber Geflügel säugt doch nicht, so dass ‘ein Kochen des Lammes in der Milch der Mutter’ gar nicht möglich wäre.
Hintergrund
Die Tora verbietet das Essen von Speisen, in denen es sowohl Fleisch- als Milchprodukten gibt, besonders streng, denn im Gegenteil zu andere verbotene Nahrungsmittel verbietet die Tora hier sogar das Kochen. Drei Mal heißt es: Du sollst das Zicklein nicht in der Milch der Mutter kochen. Aus dieser außergewöhnlichen Formulierung lernen wir, dass Fleisch-mit-Milch-Speisen zum Verzehr streng verboten sind, und wir sie sogar nicht kochen dürfen. Jedoch ist Geflügel nicht Teil dieses biblischen Verbotes, denn Geflügel produziert bekanntlicherweise keine Muttermilch.
Ein Erlaß
Jedoch wurde ein Verbot des Verzehrs von Geflügel mit Milchware zur Zeit der Mischna (1.-2. Jh.) rabbinisch erlassen. Weshalb? Verschiedene rabbinische Erweiterungen biblischer Verbote basieren auf der Art, wie wir Dingen sprachlich und sozial wahrnehmen. Das gilt zum Beispiel bei Gelübde, in denen Wörter nach der Art interpretiert werden, wie Menschen sie in der Umgangssprache verwenden, und nicht etwa wie sie in obskuren akademischen Definitionen zu verstehen sind. Das gleiche gilt für “Fleisch”. Geflügel gehört eher zu Fleisch als zu Fisch, wird auch in der gleichen Abteilung im Supermarkt oder beim Metzger eingekauft, obwohl biologisch alle drei und das Saftige an eine Nektarine Fleisch heißen können, Fisch- und Fruchtfleisch aber doch mit Milchkost gegessen werden dürfen.
(Immerhin berichtet der Talmud von einer Zeit, in der nicht alle Rabbiner und nicht alle Gemeinden das damals neue Verbot auf Geflügel mit Milch akzeptiert hatten. Im Distrikt des Rabbi Jossi haGelili, vor 1900 Jahre, aß man sie zusammen.)