Rebbe Reb Zusja von Anipoli pflegte zu sagen, dass er nicht fürchtet, dass man ihm im Jenseits fragen wird: Zusja, Zusja, wieso warst du nicht so aufrichtig und fromm wie Moses. Nein, auf dieser Frage würde er mit dem Zitat antworten (Dewarím 34:10): Und es stand in Israel kein Prophet mehr auf wie Moses; keiner kann wie Moses sein. Aber, sagte er, er fürchtet, dass man ihm die Frage stellen wird: Zusja, Zusja, wieso wurdest du nicht so aufrichtig und fromm wie Zusja [sein konnte].
Moses war so ausserordentlich, dass keiner sich mit ihm vergleichen kann. Aber, immerhin können wir die Frage stellen, wieso aus Moses ein Moses wurde.
Der Maharál (Rabbi Loew Ben Bezalél aus Prag) bemerkt, dass die Eltern von Moses erst identifiziert werden, als er bereits seine Führerkarriere angefangen hat. Zu seiner Geburt aber heisst es: וַיֵּ֥לֶךְ אִ֖ישׁ מִבֵּ֣ית לֵוִ֑י וַיִּקַּ֖ח אֶת־בַּת־לֵוִֽי׃ – Und ein Mann vom Hause Levi ging hin und nahm eine Tochter Levis. Nach dem Maharál wurden die Eltern bei der Geburt Moses nicht genannt, weil sie eben einen geringen Beitrag zu seiner persönlichen Entwicklung geleistet haben; sie haben ihn lediglich in die Welt gebracht, aber nicht erzogen, er wuchs im Hause der Tochter des Pharaos auf. Der Maharál lernt also von der Jugendgeschichte Mose, dass das Entstehen des Phenomen Moses von G”tt gesteuert wurde, weil die Zeit gekommen war, dass das Volk Israel aus Ägypte erlöst werden müsste, ohne Rücksicht auf der Aufrichtigkeit seiner Eltern und jenes Geschlechts des Volkes.
Das bedeutet aber nicht, dass Moses vor seiner Ernennung keine persönliche Verdienste besass und nicht aufrichtig war. Moses hat besondere Verdienste, und es ist dieser Self-Made-Man der der Würdenträger und Führer des Volkes Israel wird.
Obwohl er im Hause der Tochter Par’ó aufwächst, zeichnet sich Moses bereits viele Jahren vor dem er zum Führer wird, in seiner Entrüstung über Ungerechtigkeit die er sieht, und seiner Bereitschaft sich dagegen zu wehren. So heisst es:
Und es geschah in selbigen Tagen, als Mosché groß geworden war, da ging er aus zu seinen Brüdern und sah ihren Lastarbeiten zu; und er sah einen ägyptischen Mann, der einen hebräischen Mann von seinen Brüdern schlug. Und er wandte sich dahin und dorthin, und als er sah, daß kein Mensch da war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sande. Und er ging am zweiten Tage aus, und siehe, zwei hebräische Männer zankten sich. Da sprach er zu dem Schuldigen: Warum schlägst du deinen Nächsten? … Und der Priester von Midian hatte sieben Töchter; und sie kamen und schöpften und füllten die Tränkrinnen, um die Herde ihres Vaters zu tränken. Und die Hirten kamen und trieben sie hinweg. Da stand Mose auf und half ihnen und tränkte ihre Herde. (Schemót 1:12-17)
Moses erträgt weder die Ungerechtigkeit der Unterdrücker seines Volkes, noch die der eigenen Brüder. Er erträgt nicht einmal die Ungerechtigkeit gegen fremden eines entfernten Landes. Und alle drei Mal engagiert er sich, um die Unterdrückten zu retten. Midraschím entwickeln dieses Aspekt der Persönlichkeit Mose mit einigen weiteren Geschichten.
Moses war aber nicht nur ein Gerechter, sondern auch ein hochgeistiger Mensch, der unmittelbar zur Offenbarung am brennenden Busch das Begriff des Namen G”ttes versteht:
Und Mosché sprach zu G”tt: Siehe, wenn ich zu den Kindern Israel komme und zu ihnen spreche: Der G”tt eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie zu mir sagen werden: Welches ist sein Name? was soll ich zu Ihnen sagen? Da sprach G”tt zu Mosché: Ich bin, der ich bin. Und er sprach: Also sollst du zu den Kindern Israel sagen: “Ich bin” [Eh-jè] hat mich zu euch gesandt. Und G”tt sprach weiter zu Mosché: Also sollst du zu den Kindern Israel sagen: HaSchém, der G”tt eurer Väter, … hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name in Ewigkeit, und das ist mein Gedächtnis von Geschlecht zu Geschlecht. (Schemót 3:13-15)
Und Gott redete zu Mose und sprach zu ihm: Ich bin HaSchém. Und ich bin Awrahám, Jitschák und Ja’aków erschienen als Gott, der Allmächtige [E-l Schad-dáj]; aber mit meinem Namen HaSchém habe ich mich ihnen nicht kundgegeben. (Schemót 6:2-3)
Die Erklärung des Targum Pseudo-Jonathan zu Schemót 4:24 is deshalb höchst überraschend. Schemót 4:24-25 erzählt von einem Vorfall während der Reise Mose und seiner Familie zuruck in Ägypte:
Und es geschah auf dem Wege, in der Herberge, da fiel [der Engel von] HaSchém ihn an und suchte ihn zu töten. Und da nahm Zipporá einen scharfen Stein und schnitt die Vorhaut ihres Sohnes ab und warf sie an seine Füße und sprach: Fürwahr, du bist mir ein Blutbräutigam! |
וַיְהִי בַדֶּרֶךְ בַּמָּלוֹן וַיִּפְגְּשֵׁהוּ ה’ וַיְבַקֵּשׁ הֲמִיתוֹ: וַתִּקַּח צִפֹּרָה צֹר וַתִּכְרֹת אֶת עָרְלַת בְּנָהּ וַתַּגַּע לְרַגְלָיו וַתֹּאמֶר כִּי חֲתַן דָּמִים אַתָּה לִי:
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Moses hatte zwei Söhne; der eine hiess Gerschon (siehe V. 2:22) und der zweite Eli’èser. Obwohl der zweite erst viel später beim Namen erwähnt wird (V. 18:4), wurden sie beide vor dieser Reise geboren, denn in V. 2:20 heisst es, dass Moses “nahm sein Weib und seine Söhne und liess sie auf Eseln reiten und kehrte in das Land Ägypten zurück”. Einer – nur einer – diesen zwei Söhnen ist unbeschnitten. Wer? Und weshalb? Söhne werden in der Regel mit acht Tage beschnitten (Bereschít 17:12), und obwohl es unwahrscheinlich scheint, dass sie kurz nach der Geburt seines zweiten Sohnes reisten, erwarten wir immerhin, dass es der zweite Sohn ist, der unbeschnitten blieb (wie auch Raschi denkt). Aber Targum Pseudo-Jonathan überrascht uns:
Und es geschah auf dem Wege, in der Herberge, da traf ihn der Engel G”ttes und drohte ihn zu Töten, Gerschóm zuliebe, denn er war nicht beschnitten, wegen der Abmachung mit seinem Schwiegervater Jitró, der ihn nicht erlaubte ihn to beschneiden. Aber Eli’èser war beschnitten, nach der Bedingung ihrer Abmachung. Und da nahm Zipporá einen scharfen Stein und schnitt die Vorhaut Gerschóms ihres Sohnes ab und sie brachte die abgeschnittene Vorhaut den Füssen des Strafengels und sprach: mein Bräutigam wollte ihn beschneiden, aber sein Schwiegervater verhinderte es. Soll jetzt das Blut der Beschneidung meinem Bräutigam verzeihen. |
(כד) והוה באורחה בבית מבתותא וערע ביה מלאכא דיי ובעא למקטליה מן בגלל גרשום בריה דלא הוה גזיר על עיסק יתרו חמוי דלא שבקיה למגזריה ברם אליעזר הוה גזר בתנאה דאתניו תרויהון: (כה) ונסיבת צפורה טינרא וגזרת ית עורלת גרשום ברה ואקריבת ית גזירת מהולתא לרגלוי דמלאך חבלא ואמרת חתנא בעא למיגזור וחמוי עכיב וכדון אדם גזורתא הדין יכפר על חתנא דילי:
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Zipporá sagt, ihr Vater verhinderte Moses seinen ersten Sohn zu beschneiden, aber in der Erklärung zu V.24 sehen wir, dass Jitró sich nicht gewalttätig aufzwingt, sondern eine Abmachung existiert wobei Moses sich in dieser Hinsicht verpflichtete! Dies finden wir deutlich im Midrásch (Jalkút Schim’oní §169):
Als Moses dem Jitró fragte, Gebe mir deine Tochter Zipporá als Ehefrau, sagte er ihm: Verpflichte dich dieser einer Sache, dass ich dir vorschlage, und ich gebe sie dir zur Ehefrau. Sagte Moses zu ihm: worum geht es? Sagte er ihm: dein erstgeborener Sohn sollst du im Dienst eines jenes Götzen einweihen, alle spätere Kinder darfst du sie nach dem Himmel [d.h. israelitisch] einweihen; und Moses war einverstanden. Sagte er ihm: schwöre mir, und er schwörte, wie es heisst: (Schemót 2:21) “Und Moses willigte ein, bei dem Manne zu bleiben; und er gab Moses Zippora, seine Tochter”. Und Wajó’el (und … willigte ein) bedeutet nichts weniger als ein Schwur … Deshalb drohte der Engel den Moses zu töten, und unmittelbar “nahm Zipporá einen scharfen Stein … Da liess er von ihm ab” |
בשעה שאמר משה ליתרו תנה לי את צפורה בתך לאשה אמר לו קבל עליך דבר אחד שאני אומר לך ואני נותנה לך לאשה. אמר לו משה מה הוא. אמר לו הבן שיהיה לך תחלה יהיה לעבודה זרה מכאן ואילך לשם שמים וקבל עליו. אמר לו השבע לי וישבע לו שנאמר ויואל משה לשבת אין אלה אלא לשון שבועה שנאמר ויואל שאול את העם (וכן הוא אומר הואל קח ככרים ). לפיכך הקדים המלאך להרוג את משה מיד ותקח צפורה צר. וירף ממנו
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Ist es möglich? Kann es sein, dass der grösste Führer des jüdischen Volkes je, der die Torá G”ttes vom Himmel auf Erden dem jüdischen Volk und der Welt bracht, der die Bundestafel in seiner Hand hielt, dass er die Absicht hatte, seinen Erstgeborenen im Götzendienst einzuweihen?
Nach diesen obigen Quellen ist die Antwort erstaunlicherweise ein klares “ja”. Un wie gesehen wurde dies dem Moses als Sünde angerechnet und kostete ihm fasst das Leben, bis seine aus Midian stammende Ehefrau seine Fehler berichtigte, als sie unmittelbar ihren Sohn beschnitt und ihn im Bunde des Stammvater Awrahám einweihte.
Moses wurde vielleicht, nach einer Erklärung Raschís (zu Schemót 2:2), körperlich perfekt geboren – er müsste nicht einmal beschnitten werden – aber er kannte eine geistige Entwicklung, und war anscheinend nicht bereits seit je fromm; er wurde fromm. Eigentlich überrascht dies nicht so, denn er wuchs ja hauptsächlich im Hause der Tochter des Pharaos auf und nicht unter den Israeliten.
Aber immerhin müssen wir die Frage stellen, wenn Moses sich nicht durch eine besondere Frommigkeit auszeichnete, wieso er dann genau für seine Aufgabe von G”tt auserwählt wurde? Wieso erschien G”tt im brennendem Busch zu Moses und nicht zu einem anderen Gelehrten, Fürst oder Hirter (Moses war alle drei)? Würde nicht jedermann, der die Stimme G”ttes so laut und klar hört, seine Aufgabe wahrnehmen?
Moses ist nicht der einzige, der eine himmlische Stimme gehört hat. Zwar hat Moses nicht irgendeine himmlische Stimme, sondern die, die direkt von G”tt kam, gehört, aber es ist immerhin interessant, die Reaktion von anderen in einer ähnliche Lage zu vergleichen.
Elischá’ Sohnes Awujá war ein grosser Gelehrter, der G”tt und Seiner Torá den Rücken kehrte, als er sah wie ein Kind starb, der gerade zwei Mitzwót gleichzeitig erfüllte, zu welche die Torá lehrt, dass der Mensch damit lange leben wird. Das Kind kletterte einen Baum hinauf, um Eier aus ein Vogelnest zu nehmen, für seinen Vater, der dies wünschte. Vor dem, dass er die Eier nahm, jagte er die Vogelmutter weg, und so erfüllte er gleichzeitig das Gebot, die Eltern zu ehren und die Eier nicht im Beisein der Mutter zu nehmen. Und es viel vom Baum und starb. Elischá ben Awujá war so schockiert und entsetzt, dass er seinen Rücken der Torá kehrte. Seither wurde er Achér, “der Andere”, genannt. (Talmúd Bawlí Kiduschín 39b)
Aber Achér war kein vollkommener Ketzer, er war ein Verzweifelter. Er glaubte an G”tt, war aber empört. Und so lernte und lehrte er weiterhin Torá. Viele Schüler hatte er nicht mehr, aber der grosse Rabbi Me’ír blieb ihm treu. Einst spazierten sie zusammen am Schabbat und sprachen Worte der Torá. Rabbi Me’ír ging zu Fuss, Achér aber, in Verletzung des Schabbats, auf einem Esel. Als sie sich ca. ein Kilometer von der Stadt entfernten, sagte Achér dem Rabbi Me’ír: Bis hier darfst du gehen und nicht weiter, denn das ist der Techúm Schabbát, die Limite, die man am Schabbat nicht überschreiten darf, und Achér selber aber ging weiter. Sagte Rabbi Me’ír zu ihm: Auch du kehre zurück. Achér erwiderte: Ich habe dir bereits gesagt, wie ich eine himmlische Stimme hörte, die verkündete “Kehret zurück ihr abtrünnige Kinder … ausser Achér”. (Talmúd Bawlí Chagigá 15a)
Achér fehlte nicht die Glaube an G”tt und dem Bund, der uns zur Erfüllung der Torá verpflichtet. Er glaubte und wusste was zu tun sei. Aber als er hörte, wie jederman zur Umkehr eingeladen wird, er aber nicht, dann fühlte er sich hoffnungslos.
Der Talmud (‘Awodá Sará 17a) erzählt von einem anderen Sündner, Eli’èser Sohnes Durdaja, der eine gleiche himmlische Stimme hörte. Als er aber hörte, wie alle zu die Umkehr eingeladen wurde, ausser er, dann bereute er seine Sünden, sass in einem Tal zwischen zwei Bergen und weinte, bis er starb. Zu seinem Tot verkündete eine himmlische Stimme: Rabbi Eli’èser Sohnes Durdaja wird im jenseits wilkommen geheissen.
Wieso wurde Eli’èser Sohnes Durdaja doch im jenseits akzeptiert, nachdem das Gegenteil verkündet wurde? Solange der Mensch lebt, kann er zurückkehren, und sein Rückkehr durchbricht alle Dekreten. Für eine einfache Umkehr war es zu spät, aber Eli’èser Sohnes Durdaja verstand, dass er nur gewarnt wurde, und vor grosser Einstrengung die Tore des Rückkehrs nie geschlossen sind, und bekam dafür vom Himmel den Rabbi-Titel. Achèr aber wurde hoffnungslos.
Moses, Achér und R’ Eli’èser Sohnes Durdaja hörten himmlische Stimmen, Achér aber wurde hoffnungslos; R’ Eli’èser Sohnes Durdaja kehrte zurück, hatte aber keine Kraft mehr zu leben. Einzig Moses ist bereits, sein Leben grundsätzlich zu ändern, als G”tt sich zu ihm offenbart.
Öfters denken wir, bestimmt würde jedermann fromm werden und all seine Aufgaben wahrnehem, wenn G”tt sich ihm offenbaren würde, ihn einen Zeichen geben würde. Aber Achér zeigt, dass dies nicht stimmt. Wir sind inert, unbeweglich, in unserem Verhalten; uns felht diese Offenheit des Geistes, die uns dazu führen würde, konsequent zu sein und unsere Glaube auf uns wirken zu lassen. Moses, der schon immer die Gerechtigkeit und Wahrheit suchte, war ein Mensch des offenen Geistes, ein geistiger Mensch. Vielleicht wurde deshalb genau er von G”tt beauftragt, das Volk aus Ägypte zu führen und es die Torá zu lehren, weil er offener Geist war und konsequent lebte, also bereit war, sein Leben zu wenden, als die Lehre ihn dazu führte. Er hörte G”tt durch die Moral, die Ethik und die Lehre.
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