Moses segnet Joschua vor dem Hohepriester James Tissot (18321902)
Mosche ist dem nahen Ende seines Lebens sehr bewusst. Bereits in Paraschat Pinchas bat er G”tt, einen Nachfolger auszuwählen, der nach ihm das Volk führen würde. Daraufhin befahl G”tt Mosche, Jehoschua bin Nun als Führer zu ernennen (Bamidbar 27:15-23). Jehoschua ist eine sui generis, eine einzigartige Persönlichkeit, die eher mit Mosche als mit den üblichen Anführern zu vergleichen ist. Dies vermitteln unsere Weisen mit der Satz: “Die Weisen jener Generation sagten, das Antlitz von Mosche ist wie die Sonne, das von Jehoschua wie der Mond” (Talmud, Bawa Bathra 75b).
Vierzig Jahre zuvor, ganz am Anfang seiner Karriere als Führer von Benej Jissraël, versuchte Mosche bereits bestimmte Aufgaben und Verantwortungen zu delegieren. Als das Volk am Fuß des Berges Sinai lagerte und Jithro, der Schwiegervater Mosches, ihn besuchte, empfahl der erfahrene Staatsmann (der ja “Kohen Midjan”, ein geistiger Führer der Midjaniter war) seinem Schwiegersohn, eine Administration aufzubauen. “Es ist nicht gut, was du tust! Du wirst müde und kraftlos, zugleich du und das Volk, das bei dir ist; denn das Geschäft ist dir zu schwer, du kannst es allein nicht ausrichten. … Sieh dich aber unter allem Volk nach wackeren Männern um … dass sie das Volk allezeit richten; alle wichtigen Sachen aber sollen sie vor dich bringen, und alle geringen Sachen sollen sie selbst richten…” (Schemot 18:13-26). Jene Geschichte wird zweimal in der Tora erzählt, jeweils doppelt ─ also insgesamt viermal: Einmal, als Jithro den Plan vor Mosche schilderte (siehe oben), einmal, als Mosche den Plan mit G”ttes Segen umsetzte (ebd. 25-26). In unserem Wochenabschnitt erzählt Mosche 39 Jahren später der nächsten Generation von der damaligen Initiative, und tut das wiederum doppelt: er erzählt vom Auftrag und von der Ausführung.
Weil sich diese Geschichte viermal wiederholt, können wir verschiedene Aspekte der jeweiligen Erzählung miteinander vergleichen. Wie man auf Englisch sagt, „the devil is in the details“ die kleinen Unterschiede sind bedeutend.
Jithro schlug Mosche vor, Männer nach vier Charakterzügen zu wählen. Sie sollen “wackere Männer” (Anschej Chajil) sein, “die g‘‘ttesfürchtig, wahrhaftig und dem Geize feind sind”. Jene vier persönliche Qualitäten werden zwar in unserem Wochenabschnitt nicht erwähnt, dafür erzählt Mosche: “Da sagte ich zu euch zu jener Zeit … Schaffet euch weise, verständige und erfahrene Männer von euren Stämmen her, so will ich sie an eure Spitze stellen!” (cf. Dewarim 1:9-17)
In den jeweiligen Berichten der Umsetzung des Plans wird aber nur eine der Qualitäten erwähnt. Mosche, erwählte „wackere Männer” (Schemot 18:25); von den vier von Jithro empfohlenen Qualitäten fand er nur eine. Von den drei von Mosche erwünschten Charakterzügen fand er nur zwei: “Da nahm ich Häupter eurer Stämme, weise und erfahrene Männer” (Dewarim 1:15). “Verständige” Leute (“Newonim”) fand er leider nicht (Quelle: Sifrej). Mosche fand zwar nicht alle Qualitäten, danach streben sollen wir doch!