Parascha und Politik – Jefat Toar

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Wie eine Mizwa, die seit Jahrtausenden nicht umgesetzt wird, zum brennenden Thema der israelischen Politik wurde

Unter den Themen unserer Parascha finden wir eines, das vor einigen Wochen für Aufsehen und heftige Diskussionen in der israelischen Politik sorgte: Das Gesetz der „schönen Kriegsgefangenen“ ­–­ die Jefat Toar.

Als Mitte Juli Oberst Eyal Karim zum Oberrabbiner der israelischen Verteidigungskräfte designiert wurde, veröffentlichte die Tageszeitung Yediot Acharonot einen Artikel, in dem behauptet wurde, dass der werdende Oberrabbiner Vergewaltigungen durch Soldaten billigte, denn zehn Jahre zuvor hätte er in einem „Frag den Rabbi“-Forum das Religionsgesetz der Jefat Toar ausgelegt. Natürlich wurde kaum erklärt, dass es sich bei jenem Kommentar um eine Auslegung eines schwierigen biblischen Textes ging. Frauenrechtsorganisationen und eine Menge Politiker waren empört und verlangten den Rücktritt des eben erst ernannten Kandidaten.

Damit zeigten leider eine Menge Journalisten, Akademiker, Politiker und andere Intellektuelle ihre Ignoranz sowohl der wohl bewährten rabbi­nischen Ausdrucksart „Sche’ejlot u-Teschuwot“ (Fragen und Antworten), als auch der gelebten Halacha, als auch des biblischen Kontexts der Mizwa.

Dass die Mizwa ausgelegt werden muss, ist klar. Auf dem ersten Blick könnte man eben zur Frage gelangen, ob hier Kriegsvergewaltigung gebilligt wird (Antwort: Nein), und ob es religionsphilosophisch und halachisch toleriert, bzw. sogar erwünscht ist, wenn eine jüdische Armee versucht, nach strengeren moralischen Regeln zu leben (Antwort: Bestimmt eine gute Sache).

Statt aber aufzuklären, hat die Presse versagt und den Lesern den Kontext verschwiegen. Hier liegt aber auch eine Lehre für Rabbiner, sowie für alle, die in Internet-Foren ihre Meinung verbreiten: Auch wohl zehn Jahre nach der Veröffent­lichung eines Kommentars haben wir Rechenschaft abzulegen. Wir dürfen deshalb nie versäumen, den Kontext zu erläutern. Außerdem lernen wir, dass es keine Vergesslichkeit vor Google, Yahoo und Bing gibt. Damit dürfte es uns leichter werden, zu verstehen, was im Gebet von Rosch ha-Schana steht, dass „es keine Vergesslichkeit vor dem Thron [G”ttes] Herrlichkeit gibt“.

Worum geht es also bei der Jefat Toar?

Die Tora erlaubt tatsächlich, mit einer „Jefat Toar“, in die sich ein Soldat im Krieg verliebt, Verkehr zu haben. Dazu erklärten unsere Weisen aber, dass die Tora es nur deshalb erlaubte, weil die Lust unter solchen Umständen unerträglich werden kann (Raschi Dewarim 21:11). Doch erlaubte die Tora nicht die totale Aufhebung der sittlichen Gesetze. Vielmehr stellte sie diese Beziehung in einen halachischen Rahmen. Nur einmal dürfen sie zusammen Verkehr haben. Dann muss er warten, bis er sie nach dem Kampf nach Hause bringt, und sie um ihr Schicksal einen Monat lang trauert. Will er sie heiraten, darf er das, sonst muss er sie frei gehen lassen und darf sie nicht nötigen. (Dewarim 21:10-14)

Die Details der Mizwa lassen vermuten, dass die Jefat Toar nicht irgendeine Gefangene war, sondern ein Mitglied eines „besonderen Kampfkon­tingentes“, das mit Unzucht versuchte, den Feind zu verführen, damit er entweder die Seite wechsle, oder sie ihn im Moment seiner Schwäche töten kann. (Raschi ebd. 13) Eine Parallele wären die Töchter Moaws in Bamidbar Kap. XXV.

Dennoch zeigten unsere Weisen eine große Abneigung gegenüber dieser Praxis (siehe den oben erwähnten Kommentar von Raschi). Schließlich lehrt die Tora im gleichen Abschnitt Wehaja Machanecha kadosch venischmarta mikol Dawar ra ­– „und dein Lager soll heilig sein … und hüte dich vor jeder schlechten Sache“ (Dewarim 23:15). Letzteres ist ein Euphemismus für das unzüchtige Benehmen, das sogar im Kriegslager zutrifft! Die Ethik der israelischen Armee, für die eine Vergewaltigung nicht einmal vorstellbar und erst recht nicht zu billigen ist, ist also in der Lehre der Tora tief verwurzelt.

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