Theologie: Wie belohnt G”tt uns für die Einhaltung der Mizwot? – Gastbeitrag

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Weizenacker nach dem Regen (1890), Vincent van Gogh

Austrian-German_Swiss_flags-tinyVon Rabbiner Schlomo Hofmeister

Wann immer die Tora von Belohnung und Bestrafung spricht, werden diese beiden Konzepte in physischen Masstäben beschrieben; so beispielsweise die Zusage, dass es – als Belohnung der Befolgung der Mizwot – zur richtigen Zeit regnen und eine gute Ernte geben wird. Warum spricht die Tora nicht von der weitaus bedeutsameren, der spirituellen Belohnung in der zukünftigen Welt?

Eine pragmatische, praktische Antwort

Der Prager Rabbiner Schlomo Efraim Luntschitz (1550-1619), auch bekannt unter dem Namen seines berühmten Tora Kommentars als Kli Jakar, erwähnt hierzu (Vajikra 26:12) sieben verschiedene Erklärungen aus der rabbinischen Literatur: Während der Ibn Esra (1092-1167) der Meinung ist, dass die Tora in physischen Begriffen spricht, da die echte Dimension der Belohnung nicht direkt in uns verständliche Worte zu faasen ist (Dewarim 32:39), und Nachmanides (1194-1270) zumindest einen indirekten Verweis auf die spirutuelle Belohnung in den explizit erwähnten spirituellen Bestrafungen bei Missachtung der Tora erkennt, vertritt Maimonides (1135-1204), wie so oft, einen praktischen Ansatz und erklärt die von der Tora versprochene materielle Belohnung wie ein „Stipendium“, welches wir tatsächlich für die Erfüllung der Mitzwot erhalten, damit wir im Gegenzug noch mehr Gelegenheit haben unsere Zeit dem Tora Lernen und der Erfüllung von Mitzwot zu widmen. (Hilchot Teschuwa 9:1)
In seinem philosophischen Werk „More Newuchim“ erklärt Maimonides ausserdem, dass es im Altertum bestimmte Formen von Götzendienst gab, welche Regen und Ernteertäge versprachen. Gerade deswegen, so auch Rav Sa’adja Ga’on (882-942), verspricht die Tora – die jedwede Form von Götzendienst untersagt – für die Befolgung der Mizwot gerade jene Dinge wie Regen und gute Ernteerträge.

Schnittstellen zwischen dem Materiellen und dem Geistigen

Rabbenu Nissim von Gerona (1320-1376), bekannt unter dem Akronym seines Namens als Ra”N, interpretiert die Beschreibung der irdischen Belohnungen als einen konkreten Hinweis auf das wichtige jüdische Konzept von G”ttes direkter Auf­sicht, Kontrolle und auch Involvierung in unserer materiellen Welt, genannt Haschgacha Peratit. Das bedeutet, wie bereits Rabbenu Jehuda HaLewi (1075-1141) in seinem berühmten Kuzari beschreibt, dass die spirituelle Konsequenz unserer irdischen Handlungen ref­lexiv wiederum ein ent­sprechendes physisches Resultat nach sich zieht; wobei – im Ge­gen­satz zum fernöstlichen Konzept von Karma – in unserer Weltanschauung G-tt aktiv hinter diesem Ursache-Wirkungs-Effekt steht und agiert. Des weiteren, so Rabbenu Nissim, ist die Schechina im Mischkan (die begrenzte Manifestation der Ge­genwart G-ttes im Stiftzelt, beziehungsweise im Jerusalemer Tempel – unter der Voraussetzung, dass das jüdische Volk den Tora-Bund einhält), ein Hinweis auf die uns erwartende unvergleichlich grössere Belohnung in der Zukünfitgen Welt, einer Dimension der unbegrenzten Manifestation Seiner Gegenwart.

Eine doppelte Belohnung

Nachmanides differenziert in diesem Zusammenhang zwischen dem System der physischen Belohnung im Diesseits, welches dem Majoritätsprinzip folgt und bei der Befolgung der Halacha durch die Mehrheit des Jüdischen Volkes, eine kollektive Belohnung für das ganze Volk nach sich zieht, während die spirituelle Belohnung in der Zukünfitgen Welt jedem Einzelnen entsprechend seiner individuellen Verdienste zuteil wird. (Dewarim 11:13)

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